Restaurierung von Pergamentbänden
Bei Pergament handelt es sich um getrocknete, gekalkte und gespannte Tierhaut. Im Gegensatz zum Leder ist es nicht gegerbt. Pergament ist ein sehr haltbares Material, das bei guter Lagerung viel haltbarer ist als Leder. Allerdings ist es auch das Material an Einbänden, das am empfindlichsten auf hohe Luftfeuchtigkeit oder gar den Kontakt mit Wasser reagiert: Es wird weich und dehnt sich stark aus.Wenn es wieder trocknet, schrumpft es nicht nur auf seine originale Grösse zurück, sondern es wird kleiner als es ursprünglich war. Dieses Verhalten zeigt es auch bei mehrfacher Dehnung und Schrumpfung: es wird immer kleiner. Weil bei der Schrumpfung starke Kräfte im Pergament entstehen und das Pergament sehr stabil ist, löst es sich bei der Schrumpfung selber vom Einband ab.
Daher ist der häufigste Schaden an Pergamenteinbänden das geschrumpfte und teilweise abgelöste Bezugspergament.
Die grösste Schwierigkeit bei der Restaurierung von Pergamentbänden ist es, das Pergament so weit zu dehnen, dass der originale Einband wieder damit bezogen werden kann.
Anna Amalia Brandschaden
Restaurierung von Drucken der „Herzogin-Amalia-Biblothek“ in Weimar
Im Jahre 2004 brach in der barocken„Herzogin-Amalia-Bibliothek“ in Weimar ein Brand aus. Rund 34‘000 Bücher wurden durch Hitze, Russ und Löschwasser beschädigt.Die Bibliothek, in der einst Goethe als Bibliothekar amtete, ist UNESCO-Weltkulturerbe. Unter den beschädigten Büchern fanden sich auch 1100 Drucke, die sog. Helvetica, welche das Schweizer Geistesleben im 18. Jahrhundert dokumentieren. Zu ihrer Rettung wurde in der Schweiz der Verein Pro Helvetica in Weimar gegründet. Schweizer Sponsoren, darunter private Stiftungen und die öffentliche Hand stellten Geld für die Restaurierung der kunsthistorisch bedeutenden Werke zur Verfügung. Wertvoll deshalb, weil sie Randnotizen von Schiller, Goethe, Wieland und weiteren Denkern jener Epoche enthalten. Drei Schweizer Restaurierungswerkstätten, darunter das Atelier Strebel AG, haben die Restaurierungsarbeiten 2012 an den stark beschädigten Bänden abgeschlossen.
Bei den Pergamentbänden wirkte sich die Hitze der Flammen und das heisse Löschwasser besonders verheerend aus. Das Pergament schrumpfte, wurde hart und unflexibel. Einstürzende Gebäudeteile schädigten die Bücher zusätzlich.
Blick auf den Vorderschnitt eines beschädigten Bandes vor und nach der Restaurierung.
Restaurierung eines „Novus Atlas“ von Willem Janszoon Blaeu
Bei diesem Atlas handelt es sich um einen Band der bekannten „Atlas Novus“ Reihe, herausgegeben durch Willem Janszoon Blaeu im 17. Jahrhundert.Bei vielen Bänden dieser Reihe wurde ein sehr dünnes Pergament benutzt. Dieses ist besonders am Rückenbereich stark abgebaut (möglicherweise durch Sonnenlicht) und wird bei Kontakt mit zu viel Feuchtigkeit geleeartig und klebrig.
Für die Restaurierung war es notwendig, den Buchblock vom Einband zu trennen. Das Pergament reagierte extrem empfindlich auf Feuchtigkeit. Es wurde entschieden, den Rücken mit mehreren Schichten Japanpapier zu unterlegen. So war es möglich, einen stabilen Rücken herzustellen und dabei stets die volle Kontrolle über die aufgebrachte Feuchtigkeit zu haben. Ausserdem konnten die vorhandenen Rückenfragmente in den neuen Rücken nahtlos integriert werden.
Minimaleingriff
Restaurierung des Evangelium Longum, St. Gallen um 895
Bei diesem über 1100 Jahre altem Evangelistar musste ein restauratorischer Minimaleingriff ausgeführt werden, um den Verlust von Einbandteilen zu verhindern. Es sollte so wenig wie möglich am Einband verändert werden.Dieser Einband wies im Rückenbereich einige Fehlstellen im Pergament auf. Ausserdem fehlte der rote Samtbezug auf dem Rückenpergament.
Der Rücken sollte mit neuem farblich angepasstem Pergament unterlegt werden, so dass die vorhandenen Pergamentfragmente von der Innenseite her gestützt werden. Der fehlende Samtrücken sollte nicht ersetzt werden, weil dadurch der Eingriff zu gross gewesen wäre.
Diese Restaurierung wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Archäologen und Metallrestaurator Martin Ledergerber vom Schweizerischen Nationalmuseum ausgeführt. Die Aufgabe des Restaurators aus dem Nationalmuseum war es, die metallenen Beschläge an den beiden Falzkanten abzulösen und wieder aufzubringen.